Flotte Räder ohne Sattel und Pedale


von Tageblatt-Redaktion

Mit dem Stepperbike kann man ziemlich zügig, aber auch ganz entspannt unterwegs sein.
Mit dem Stepperbike kann man ziemlich zügig, aber auch ganz entspannt unterwegs sein.

Martin Tinko hat es gewusst, als er mir prophezeite: „Man wird angeguckt wie ein Ufo.“ Die Reisegruppe an den beiden schwimmenden Häusern auf dem Geierswalder See ist zumindest ziemlich irritiert. Das Gefährt, das kurz dort stoppt, beeindruckt momentan mehr als der Blick aufs Wasser. „Das muss in Berlin erfunden worden sein“, sagt einer. „Da seh’ ich manchmal Fahrräder, denen der Sattel geklaut wurde.“
Das Ding ist kein klassisches Fahrrad, obwohl es zwei Räder hat und rollt. Es hat keinen Sattel, auch Pedale fehlen. Aber was heißt schon fehlen?! So wie es vor mir steht, ist es komplett. Es ist ein Stepperbike, ein Hybrid aus Fahrrad und Stepper, wie sie in Fitnessstudios stehen. Martin Tinko, Betreiber des Ferien- und Freizeitparks in Geierswalde, hat drei davon. Eins ist an diesem Tag Ausstellungsstück bei einer Veranstaltung, das andere Gefährt hat einen Platten. Da geht es Steppern wie den Fahrrädern auch. Bleibt also das dritte, das mir Martin Tinko kurz erklärt und mit dem ich mich also alleine auf die Tour machen werde: 18 Kilo schwer, 1,57 Meter lang, Aluminiumrahmen, Sieben-Gang-Nabenschaltung. Ich werde gleich auf Trittbrettern aus kanadischem Eichenholz stehen. Sie sind ziemlich lang. „Man kann vorn stehen und kleine Bewegungen ausführen“, sagt Tinko. „Wenn man hinten steht, ist die Kraftübertragung größer.“ Seit einem Jahr bietet er die Geräte zum Verleih an, hat rund 600 bis 700 Kilometer absolviert. Viele Worte muss er nicht machen. Mir sind Fitnessstudio-Stepper gut bekannt und mein Rennrad hat mich die vergangenen zehn Jahre nie im Stich gelassen. Ich bin angstfrei, aber neugierig, hab’ am Abend zuvor noch ein Stepperbike-Video im Internet angeklickt. Also können wir es kurz machen: „Draufstellen, losfahren, Spaß haben“, sagt Tinko und schickt mich los.
Es eiert nur kurz. Ich starte auf der holprigen Wiese des Campingplatzes direkt am See. Zwei, drei Tritte und die Sicherheit ist da. Sekunden später ist der Asphalt erreicht. Ich stehe auf dem hinteren Teil der Steppbretter, trete leicht nach hinten, das Gefährt rollt nach vorn. Eine Kollegin, die es schon mal ausprobierte, hatte mir noch geraten, keine Bewegungen wie auf einem Fahrrad auszuführen. Das geht auch kaum. Man kann nicht viel falsch machen. Martin Tinko hatte gesagt, Kinder gehen angstfreier mit dem Gerät um als ältere Leute. Aber auch bei 60-Jährigen sei die Sicherheit schnell da. Es braucht einige Tritte, um in Fahrt zu kommen. Mein Exemplar hat keine Geschwindigkeitsanzeige, aber gewiss rollt es zeitweise rund 25 km/h. Auf dem Lausitzring wurden schon mal 43 km/h gemessen.
Stepperbikes sind Sportgeräte. „Sie sind nicht für die breite Masse“, meint Tinko. „Man kann sich eben nicht hinsetzen.“ Aber der „fehlende“ Sattel stört überhaupt nicht. Es rollt sich angenehm. Das hintere Rad ist etwas kleiner als das vordere, die 3,45-Zoll-Bereifung federt Unebenheiten gut ab. Wichtig ist, jede Bewegung bis zum Ende auszuführen. Und man sollte beide Hände am Lenker lassen. Freihändig zu rollen, wie es Geübte auf dem Fahrrad tun, ist nicht möglich. Ich probiere, nur mit den Fußballen zu drücken und setze auch die gesamte Fußfläche auf. Es ist möglich, die Arme und den Oberkörper einzusetzen, ein Zusatztraining also. Ohnehin werden viele Muskelgruppen auf dem Stepperbike gefordert, auch die Körperteile, die gerne „Problemzonen“, genannt werden. Das Tippeln auf den Brettern hilft also auch dem Po.
Martin Tinko hat seine Bikes mit einem Korb und einer Flaschenhalterung ausgestattet. Natürlich gibt es auch ein Schloss dazu. Im Korb ist Platz für einen Rucksack. Ich habe meine Zwei-Liter-Flasche Wasser ’reingestellt. Ins Schwitzen muss man nicht kommen. Zumindest nicht an diesem kühlen Vormittag. Mit dem richtigen Rhythmus tippelt es sich ganz entspannt. Ich spiele ein bisschen mit den Gängen. Kleinere Steigungen lassen sich problemlos bewältigen. Ein kurzer Regenguss sorgt für eine Zwangspause. Dann geht’s weiter in Richtung Geierswalde-Dorf, vorbei an den schwimmenden Häusern mit der Touristengruppe, in der sich einige den Kopf verdrehen.
Zeit für eine Pause und einen Plausch. Dank ausklappbarem Ständer bleibt das Stepperbike stehen. Martin Tinko hatte vorher erzählt, er höre häufiger den Spruch: „Da hat man wohl den Sattel vergessen.“
Für ihn ist die Form der Bewegung ein idealer Fitness-Center-Ersatz, wenn es wärmer wird. „Im Sommer will ich doch was von der Umgebung sehen und Pigmente erhaschen.“ Er ist häufig mit seiner Freundin unterwegs. Auf dem zweiten Gefährt mit den schmaleren Reifen komme man noch schneller voran, sagt er. Auf dem nicht allzu breiten Radweg ist das Wenden auch kein Problem. Zumindest kommt es mir so vor, vielleicht hilft auch die jahrelange Erfahrung auf dem Rennrad. Einen Helm kann man bei einer Fahrt auf dem Stepperbike tragen, muss man aber nicht. So hohe Geschwindigkeiten wie auf dem Rad erreiche ich nicht. Die zwei Bremsen, so genannte V-Brakes, funktionieren bestens. Anders als auf dem Fahrrad reicht ein kleiner Schritt zur Seite, um sicher auf dem Boden zu stehen.
Nach knapp zwei Stunden ist die Tour beendet. Das Stepperbike ist eine gute Rad-Alternative, wenn es nicht zu weit weg gehen soll. Es ist nicht schwer zu handhaben, man kann darauf entspannt tänzeln, aber auch kräftig Schwung holen und gut in Fahrt kommen. Eine große Seenland-Runde mit 40 bis 50 Kilometer Länge und das ohne Sattel? Möglich ist das schon.



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