Zur Forschung nach Kanada


von Tageblatt-Redaktion

Vor wenigen Tagen kehrte die Hoyerswerdaer Paläontologin Dr. Martina Dolezych von einer Expedition nach Ellesmere Island zurück. Der arktische Sommer ist, wie man an der Kleidung sieht, freilich etwas kühler als der mitteleuropäische.
Vor wenigen Tagen kehrte die Hoyerswerdaer Paläontologin Dr. Martina Dolezych von einer Expedition nach Ellesmere Island zurück. Der arktische Sommer ist, wie man an der Kleidung sieht, freilich etwas kühler als der mitteleuropäische.

Ihren ersten Schneefall für diesen Winter hat Dr. Martina Dolezych am 26. August erlebt. In Hoyerswerda herrschten an dem Tag 34 Grad Celsius. Doch die Hoyerswerdaer Wissenschaftlerin war nicht hier am 51. Breitengrad, sondern ein paar tausend Kilometer entfernt am 78. Breitengrad im Nordosten Kanadas. Als Teilnehmerin der Expedition CASE 12 (Circum-Arctic Structural Events) der Deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe forschte sie auf Ellesmere Island. Für die Geologin/Paläontologin war es nicht die erste Expedition. Mit einer eigenen forschte die freie Mitarbeiterin des Senckenberg Instituts Dresden bereits 2007 auf Spitzbergen. Im Jahr darauf wurde sie zur CASE 11 der Bundesanstalt eingeladen. Nun also Nummer 12.
Also Erste-Hilfe-Kurs auffrischen, einen superdicken Schlafsack organisieren, Isomatte zusammenrollen, Sachen für vier Wochen packen und natürlich den Geologenhammer mitnehmen. Und das alles unter Einhaltung der Gepäckgrenzen. Binnen acht Stunden ging es Anfang August mit dem Flugzeug von Frankfurt/Main nach Ottawa, dann noch einmal achteinhalb Stunden bis zum 200 Kilometer nördlich der letzten kanadischen Siedlung gelegenen Camp – mit dreimal Umsteigen. Dass das nicht glattgehen muss, zeigt ein Unglück, das im August in der Region zwölf Menschen, darunter auch Wissenschaftlern, das Leben kostete. Deren kleine Maschine verunglückte.
Doch CASE 12 hatte Glück. Nicht nur beim Fliegen. Auch das Wetter spielte mit, machte dreiwöchiges intensives Arbeiten möglich. Hauptziel von CASE 12 war die Untersuchung der Entstehung des Polarmeeres. „CASE 12 ist ein Blick in die Vergangenheit, in eine Zeit, als Europa noch mit Nordamerika zusammenhing“, sagt Expeditionsleiter Dr. Lutz Reinhardt. Damals, kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier, war es auf der Erde zehn Grad wärmer als heute und die Arktis von Wäldern bedeckt, die denen der heutigen gemäßigten Breiten entsprechen. Und tatsächlich entdeckte die Paläontologin, während sie mit den anderen Wissenschaftlern der Expedition arbeitete, neue Fossillagerstätten mit Pflanzen – meistens versteinerten sowie humifizierten Holzfossilien aus dem Paläogen im Bereich des Vendom Fjords. Die Funde lagerten in offen zu Tage tretenden Kohleflözen, die aber nicht wie die Lausitzer Braunkohle 15 Millionen Jahre, sondern 40 bis 60 Millionen Jahre alt sind.
„Der erste makroskopische Blick erlaubt die Feststellung, dass es sich bei den Pflanzenfossilien in der Hauptsache um Koniferen handelt, die heute nur noch in Reliktarealen vorkommen“, sagt Martina Dolezych. Für sie ist es die Chance, einen Einblick in die Struktur der vergangenen Pflanzengesellschaften zu gewinnen. Ihr wissenschaftliches Interesse galt bisher vor allem den so genannten „Arktischen Koniferen“, die im Tertiär Europas kohlebildend waren. Nun richtet sich der Blick der Hoyerswerdaerin im Rahmen der evolutionären Entwicklung dieser Pflanzen auch auf ihr Emissionszentrum (geologisches Herkunftszentrum), auf die arktische Region. „Die Frage ist ja: Wie gelang es diesen Koniferen, unter den Bedingungen hoher Breite zu gedeihen?“
Ihre Grundlagenforschung trägt mit dazu bei, dass es bessere Prognosen für die zu erwartenden Veränderungen bei der globalen Erwärmung geben wird. Martina Dolezych weiß: „Es ist wie ein Fenster, die Forschung geht immer weiter.“ Lutz Reinhardt betont, dass einige plattentektonische Untersuchungen zeigen, dass Spitzbergen/Svalbard, Nordgrönland und Ellesmere Island vor langer geologischer Zeit auf dem Nordkontinent Laurasia zusammengehörten. Nach einer Theorie brach dann vor 50 Millionen Jahren diese Festlandsplatte auseinander. Die Datierung des Auseinanderbrechens des alten Kontinentes könnte auch mittels Pflanzen unterstützt werden. In diesem Zusammenhang müsste man wissen, welche identischen Pflanzen auf Ellesmere Island wuchsen, um diese dann mit den Floren gleichen Alters von Svalbard und Nordgrönland zu vergleichen. Vielleicht kommt man an diesem Punkt in den nächsten Monaten weiter.
Unabhängig davon bleiben natürlich die Erinnerungen an die Expedition, die klaren Farben des Nordens und die unglaubliche Stille. Martina Dolezych sah Beluga-Wale und ein Rudel arktischer Wölfe. Eindrücke, die man nie vergisst. Vom Basislager, das aus Ein-Mann-Zelten, Aufenthalts-, Küchen- und Arbeitszelt bestand, ging es praktisch jeden Tag per Helikopter zu den Arealen, die die Wissenschaftler interessant fanden. Drei bewaffnete Inuit-Männer sorgten für die Sicherheit der Wissenschaftler. Eigentlich galt die Sorge möglichen Eisbär-Angriffen. Am Ende waren es aber Moschusochsen, die schon mal für Ärger sorgten.
Der Hubschrauber scannte zudem das Gebiet im Umkreis von 60 Kilometern rund um das Lager, um geologische Strukturen unter dem Eis zu erkennen. Martina Dolezych forschte natürlich auf den Bereichen, die in der kurzen Phase des arktischen Sommers eis- und schneefrei lagen.
Jetzt, wenige Tage nach ihrer Rückkehr, wartet die Wissenschaftlerin jedenfalls schon sehnsüchtig auf ihre 15 Eimer mit Proben, die sie auf Ellesmere Island genommen hat. Sie sind mittlerweile auf dem Seeweg unterwegs nach Deutschland.



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